Stammdatenmanagement im Zeitalter des IoT

Warum IoT nur mit einer hohen Stammdatenqualität funktioniert

 

von Tobias Brockmann & Nadja Schröder

Drei Entwicklungen fordern Unternehmen heraus, das bestehende Potenzial vorliegender Datenbestände effizient zukunftsweisend zu nutzen:

Die Digitalisierung schreitet stetig voran.
Der Wettbewerbsdruck steigt.
Die Industrie 4.0 beschreibt ein Szenario künftiger Automatisierung der Produktionsabläufe.

Grundlage für IoT-Anwendungen ist eine hohe Qualität des Datenmaterials, um mehrwertstiftende Informationen zu gewinnen. Je höher der Mehrwert – respektive die Datenqualität – desto besser die Grundlage, um automatisch relevante Informationen aus der realen Welt zu erfassen, miteinander zu verknüpfen und im Netzwerk verfügbar zu machen. Stammdaten nehmen dabei eine besondere Rolle ein.

 

Einmalig erstellt, mehrfach genutzt, selten geändert

Stammdaten (engl. „Master Data“) bezeichnen die grundlegenden Unternehmensdaten, die für den laufenden Betrieb in verschiedenen Unternehmensbereichen erforderlich sind. Dazu gehören bspw. Daten von Kunden, Produkten, Mitarbeitern und Lieferanten. Laut ISO sind Stammdaten „Grunddaten eines Unternehmens. Sie existieren unabhängig von anderen Daten und werden in Geschäftstransaktionen referenziert“ (ISO 8000-1:2011).

Abgegrenzt werden Stammdaten von Transaktions- und Bestandsdaten. Diese Bewegungsdaten sind variable Daten, die sich während eines Geschäftsprozesses häufig ändern und für jeden Geschäftsvorfall neu erfasst, abgeleitet oder berechnet werden müssen. Beispiele sind Bestellmengen, Wertpapierkurse oder Kontensalden.

 

Vorteile von hoher Datenqualität für IoT
Ein erfolgreich implementiertes Stammdatenmanagement ermöglicht die Darstellung der Beziehungen zwischen den Daten verschiedener Quellen und eine Echtzeit-Kontrolle über datenbezogene Interaktionen. Unternehmen können langfristig die folgenden Vorteile realisieren:
Vermeidung von Produktionsstillständen
Aufbau einer „Versicherung“ für IoT-Vorhaben
Erhöhte Produktivität durch optimierte, fehlerfreie und integrierte Datenbestände
Erhöhte Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit
Effizientere Prozesse (z. B. Time to Market und Process-Excellence)
Validere Entscheidungsgrundlage für die strategische Ausrichtung
Optimierte Zusammenarbeit zwischen Systemen, Abteilungen und Standorten

 

Stammdatenmanagement ist eine Philosophie

Stammdatenmanagement (SDM), engl. „Master Data Management“, bezeichnet die Verwaltung von Stammdaten. Eine passende Definition liefert das Analystenhaus Gartner: „Stammdatenmanagement beschreibt organisatorische und/oder technologiebasierte Aktivitäten, bei denen Geschäftsbereiche zusammen mit der IT-Abteilung arbeiten, um die Qualität der unternehmensweiten Stammdaten zu verbessern und Hoheit über diese zu erlangen.“

 

„Grundsätzlich gilt, dass aus Daten erst in Verbindung mit einem Kontext Informationen gewonnen werden und die Qualität der Daten auch nur in diesem Kontext beurteilt werden kann.“

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Kooperation zwischen der IT und den Fachbereichen wie HR, Marketing oder Einkauf. SDM ist unterdessen kein befristetes Projekt – es ist ein Mindset, welches von allen beteiligten Mitarbeitern und Fachbereichen im Unternehmen gelebt werden sollte.

Da die Verbesserung der Datenqualität durchaus eine komplexe Aufgabe ist, bedarf es des Einsatzes und Zusammenspiels verschiedener dedizierter Softwaresysteme (z. B. Integrationsplattformen, Analysewerkzeuge, Datenmodellierungswerkzeuge, Workflow-Engines) zum Datenmanagement. Außerdem sind häufig auch organisatorische und restrukturierende Maßnahmen in Unternehmen erforderlich.

Mangelnde Stammdatenqualität erzeugt eine Vielzahl von Problemen

Die Notwendigkeit des SDM ergibt sich durch die Probleme der Unternehmen aufgrund minderer Stammdatenqualität. Verantwortlich hierfür sind der technologische Fortschritt, der es ermöglicht, immer größere Datenmengen speichern zu können, und die unzureichende Pflege der Daten. Auch die zunehmend heterogenen Systemlandschaften und die Einführung neuer Geschäftslösungen wie Systeme für „Customer Relationship Management“ oder „Enterprise Resource Planning“ haben diesen Trend verstärkt. Hinzu kommen Probleme des Managements, allen voran unzureichend definierte Verantwortlichkeiten bzgl. der Daten. Daraus resultieren die folgenden typischen Probleme im SDM, die in der Konsequenz IoT-Maßnahmen erschweren oder gar blockieren.

  • Datenmehrfach-Erfassung und -Speicherung führt zu Duplikaten
  • Erschwerte Prozessautomatisierung durch unklare Datenbasen
  • Kein einheitliches Datenmodell
  • Fehlende Prozesse zur nachhaltigen Kontrolle der Datenqualität
  • Unterschiedliches Verständnis der Daten bei den Mitarbeitern
  • Fehlende Struktur und Regelwerke für Datenqualitätsmessungen
  • Erschwerte Analysen für Reports
  • Validitätsprobleme von Reports

Datenqualität zum Kernziel erklären – für IoT!

Bezogen auf das SDM vor dem Hintergrund der Umsetzung von IoT-Vorhaben ist insbesondere die Verbesserung der Datenqualität eines der zentralen Vorhaben in Unternehmen. Während in der englischen Literatur vorrangig der Begriff „Data Quality“ gebraucht wird, werden in der deutschen Literatur die Begriffe Datenqualität und Informationsqualität häufig synonym verwendet. Grundsätzlich gilt, dass aus Daten erst in Verbindung mit einem Kontext Informationen gewonnen werden und die Qualität der Daten auch nur in diesem Kontext beurteilt werden kann (vgl. Gebauer / Windheuser 2011). Auch stellen Daten, als immaterielles Gut, erst dann einen Wert für eine Organisation dar, wenn sie in ausreichend hoher Qualität vorliegen (vgl. Otto / Reichert 2010). Die Verbesserung der Datenqualität bedarf organisatorischer Anpassungen im Unternehmen – zusammenfassend als Data Governance bezeichnet (siehe Kasten) –, die zur effizienten Umsetzung eine Software-Unterstützung benötigen.

Am Markt existierende Systeme decken oftmals einen Großteil der erforderlichen Funktionalität zur Pflege und Verbesserung der Daten sowie zur softwareseitigen Unterstützung einer Data Governance ab. Sie beinhalten meist eine Integrationsplattform, die eine Vernetzung singulärer Anwendungen überflüssig macht. Die Stammdatenmanagement-Systeme versprechen eine verbesserte Unterstützung der anstehenden Aufgaben und bieten eine Plattform, die eine Vernetzung zwischen Maschinen überhaupt erst ermöglicht bzw. erheblich vereinfacht.

 

Data Governance
Aufgaben eines qualitätsorientierten Datenmanagements (Data Governance):
Entwicklung einer Strategie,
Definition von Regeln und Normen,
Schaffung einer eigenen Organisationsabteilung,
Spezifikation von Rollen,
Umgestaltung von Prozessen,
Controlling und Kennzahlensystem zur Überwachung und Steuerung.

In der IoT-Ära: Was tun, wenn der Toner leer ist?

IoT verfolgt das Ziel, „relevante Informationen aus der realen Welt zu erfassen, miteinander zu verknüpfen und im Netzwerk verfügbar zu machen. Dieser Informationsbedarf besteht, weil in der realen Welt Dinge einen bestimmten Zustand haben (z. B. ‚Luft ist kalt‘, ‚Druckertoner ist voll‘), dieser Zustand im Netzwerk jedoch nicht verfügbar ist.“ (Wikipedia)

Nun können diese realen Informationen in unterschiedlicher Weise im Netzwerk zur Verfügung gestellt werden. Entweder durch eine automatisierte, technologisch gestützte Erhebung der Daten (z. B. wenn ein Drucker erkennt, dass der Toner leer ist) oder durch eine manuelle Eingabe (z. B. wenn ein Mitarbeiter im System hinterlegt, dass der Toner leer ist). Insbesondere der manuelle Vorgang ist fehleranfällig. Der Drucker soll nun direkt mit dem Bestellmanagement-System kommunizieren und automatisch einen Bestellvorgang für einen neuen Toner auslösen. Die Bestellung erfolgt mit dem notwendigen Vorlauf bis zum Zeitpunkt des Austauschs, also noch bevor der aktuelle Toner leer ist. Die Herausforderung besteht darin, den Toner vorrätig zu haben und gleichzeitig unter der Maxime zu handeln, die Lagerhaltungskosten zu minimieren. Dies nennt sich Predictive Maintenance.

 

Kernaussagen
IoT benötigt eine Vernetzung zwischen Maschinen bzw. IT-Systemen.
Die Vorteile von IoT können nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn die Daten in dem System auch korrekt sind.
Schlüsselfaktoren sind die Vernetzung von Systemen und die Verbesserung der Datenqualität.
Dedizierte Datenqualitätssysteme bieten eine Integrationsplattform zur Vernetzung.
Eine zentrale Datenbasis mit qualitätsgesicherten Daten vereinfacht IoT-Projekte und schafft Mehrwerte im gesamten Unternehmen.

 

Hierzu muss im Bestellsystem für den Drucker der richtige Tonertyp hinterlegt sein, mit den entsprechenden Einkaufskonditionen. Sind diese Materialstammdaten nicht korrekt, wird aufgrund der schlechten Datenqualität eine fehlerhafte oder überteuerte Bestellung ausgelöst. Zusätzlich kann der Drucker für den Zeitraum der aufwendigen manuellen Neubestellung nicht genutzt werden. Überträgt man dieses plakative Beispiel aus dem Büroalltag in die voll automatisierten Produktionshallen deutscher Hightech-Unternehmen, wird schnell deutlich, welche Tragweite Datenqualität im Kontext von IoT haben kann. //

 

 

Autorenvitae

 

 

Dr. Tobias Brockmann Nadja Schröder

 

 

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Internet_der_Dinge, Abrufdatum: 26.09.2018.
Otto, B. und Reichert, A. 2010. „Organizing master data management“, in Proceedings of the 2010 ACM Symposium on Applied Computing – SAC ’10, New York, New York, USA: ACM Press, S. 106.
Saul Judah, Gartner Inc., Master Data Management Summit (London), 2015.
ISO, 8000-1:2011 (15.12.2011). ISO/TS 8000-1:2011.
Gebauer, M. und Windheuser, U. 2011. „Strukturierte Datenanalyse, Profiling und Geschäftsregeln“, in Daten und Informationsqualität – Auf dem Weg zur Information Excellence, Hildebrand, K., Gebauer, M., Hinrichs, H. und Mielke, M. (Hrsg.), Wiesbaden: Vieweg+Teubner, S. 88–101.

 

 

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